Fairer Direkthandel als politische Intervention
Veranstaltung mit Aissata Soumaoro (Koordinatorin des Frauenkollektivs Musow Lafia in Bamako/Mali) über Empowerment, Möglichkeiten eines fairen Direkthandels zwischen Mali und Europa sowie direkte Beziehungen im Rahmen globaler und dekolonialer Solidarität.
Das Kollektiv Musow Lafia hat sich 2018 als Teil des transnationalen Netzwerks Afrique-Europe-Interact in der malischen Hauptstadt Bamako gegründet. Etwa 15 bis 20 Frauen kommen seitdem regelmäßig zusammen. Einerseits, um Lebensmittel zu verarbeiten und diese zu verkaufen (etwa Erdnüsse oder Fonio-Getreide), andererseits, um gemeinsam politisch aktiv zu sein. Musow Lafia stammt aus dem Bambara, der wichtigsten Verkehrssprache Malis, und bedeutet „Frauen in Frieden“. Gemeint ist Empowerment bzw. Selbstermächtigung, die die Frauen im Rahmen ihrer alltäglichen Kooperation erleben. Denn dies schafft Frieden – für sie selbst, aber auch für die Gesellschaft insgesamt.
Der Alltag in Bamako stellt sich als Überlebenskunst dar: „Tout le monde doit se débrouiller“ ist ein viel gehörter Ausspruch – alle müssen sich irgendwie durchschlagen. Unter diesen Bedingungen können kleine Produzent:innen wie Musow Lafia kaum Gewinne erwirtschaften. Das hat verschiedene Gründe: Zum einen unterliegen Grundnahrungsmittel einer strengen Preiskontrolle. So werden Konsument*innen zwar geschützt, aber für Produzent*innen ist es kaum möglich, einen höheren Preis zu verlangen, schon gar nicht für Lebensmittel aus ökologischer Produktion. Zum anderen unterliegen kleine Kollektive wie Musow Lafia einem allgemeinen Preisdruck durch große Produzent*innen, unter anderem Billigimporteure von Reis aus Asien oder Weizen aus Europa. All dies ist der Grund, weshalb sich Musow Lafia nicht nur für eine Stärkung der lokalen Lebensmittelproduktion einsetzt. Vielmehr möchte Musow Lafia zukünftig – gemeinsam mit Afrique-Europe-Interact und weiteren solidarischen Netzwerken – einen gewissen Teil seiner Erdnussmus-Produktion in Europa verkaufen, einfach deshalb, weil hierzulande das Preisniveau höher ist, vor allem, was Fair- und Bioprodukte angeht. In diesem Zusammenhang soll auch die ursprüngliche Idee des fairen Direkthandels in den 1970er und 1980er Jahren wieder stärker ins Zentrum rücken. Denn fair(er)e Handelsbeziehungen waren damals nur der Anfang. Mindestens genauso wichtig waren die großen Fragen, also die sozialen Kämpfe in den Ländern des globalen Südens oder die Herausforderung einer neuen und solidarischen (den Kapitalismus in die Schranken weisenden) Weltwirtschaftsordnung. Für die Mitglieder von Musow Lafia ist diese Verknüpfung sehr wichtig, da es auch um praktische Solidarität mit Mali geht, das sich seit 2012 in einer krisengeschüttelten und dennoch hoffnungsvollen dekolonialen Umbruchphase befindet.
Und noch ein Thema soll in der Veranstaltung zur Sprache kommen: Frauen sind von den vielfältigen Krisen in Mali besonders betroffen. Etwa, wenn ihre Ehemänner, Brüder oder Söhne in die Migration gehen und nicht wieder zurückkommen. Oder wenn sie sich unabhängiger von männlichen Familienmitgliedern machen wollen und daher mit Gewalt und Herabwürdigung konfrontiert sind. Auch deshalb macht sich Musow Lafia für die Autonomie und Selbstermächtigung von Frauen stark – sei es durch gemeinsamen Austausch oder durch öffentliche Aktionen, unter anderem am 8. März. Hierbei versteht sich Musow Lafia stets als Teil jener Bewegungen, die gegen neokoloniale Ausbeutung und für selbstbestimmte Entwicklung und globale Bewegungsfreiheit kämpfen – ganz gleich wo auf der Welt.
Mi. 28. Juni 2023, ab 19:00 Uhr geöffnet, Beginn des Vortrags 20:00 Uhr