Vortrag: Russland zwischen Bandenherrschaft und Geopolitik
Putins Racket-Staat im Krieg gegen die Ukraine
Vortrag und Diskussion mit Thorsten Fuchshuber
„Wenn Demokratie Staatszerfall bedeutet“, sagte Wladimir Putin im Jahr 2003 im Gespräch mit Journalisten, „dann brauchen wir keine solche Demokratie“. Seitdem hat er eine Politik vorangetrieben, die als „System Putin“ bekannt geworden ist. Doch was ist das für ein Staatswesen, als dessen Garant der russische Staatspräsident gelten möchte? Insbesondere seit dem eskalierten Krieg gegen die Ukraine mit der Invasion des Landes am 24. Februar 2022 wird Putins Machtanspruch häufig als imperial oder neoimperial bezeichnet; er habe zum Ziel, ein neues russisches Großreich zu errichten.
Der Vortrag geht von der These aus, dass es sich bei dem von Putin geschaffenen System um eine hochgradig instabile Herrschaftsform handelt. Diese basiert auf der entfesselten Rivalität verschiedener Machtfraktionen. Putin hat diese Rackets seit seinem Amtsantritt im Jahr 2000 nicht zerschlagen, sondern sich geschickt an ihre Spitze gesetzt. Seine integrative Funktion ist jedoch prekär und beruht nicht zuletzt darauf, dass es genügend zu verteilen gibt. Putin braucht den auf Dauer gestellten Ausnahmezustand nach innen und den permanenten Kriegszustand nach außen, um sein fragiles Machtkonstrukt zu stabilisieren. Er hält die verschiedenen Rackets in Schach, indem er eine negative Mobilisierung der Gesellschaft erzwingt und zugleich das ökonomische Scheitern Russlands auf dem Weltmarkt mit geopolitischen Manövern zu kompensieren versucht.
Thorsten Fuchshuber (Brüssel) ist Redakteur der Zeitschrift sans phrase und Autor des 2019 erschienenen Buches „Rackets – Kritische Theorie der Bandenherrschaft“ (ça ira), in dem er unter anderem das russische Herrschaftssystem analysiert. Zuletzt hat er gemeinsam mit Judith Frishman das Buch „Samuel Hirsch – Philosopher of Religion, Advocate of Emancipation and Radical Reformer“ (De Gruyter, 2022) herausgegeben.
Der Vortrag wird organisiert von der Initiative für Gesellschaftskritik und findet mit freundlicher Unterstützung der Koordinierungsstelle für Vielfalt, Demokratie und Toleranz der Stadt Dortmund statt.