Eine Kritik an Identitätspolitik und ihren Gegner_innen
Zur Notwendigkeit eines queeren Materialismus und der Rückeroberung des Universellen – Vortrag von Franziska Haug
Gegenwärtige linke, feministische Debatten teilen sich in Deutschland weitestgehend in zwei Lager auf: Auf der einen Seite steht ein differenzfeministischer, oder auch sog. Radikalfeminismus, der oft ein universelles „Wir“ der Frauen in Anspruch nimmt. Auf der anderen Seite ein intersektionaler, oft postkolonialer Queerfeminismus mit einem Fokus auf diskursive Identitätspolitik. Erstere Position wirft der zweiten vor, das geschlechtliche und körperliche Subjekt gänzlich in diskursiver, materieloser Sprachvermittlung aufzulösen. Letztere Position wirft der ersteren vor, eine problematische Essentialisierung der Frau und des geschlechtlichen Körpers zu betreiben. Diese Spaltung der linken, feministischen Szene zeigt sich aktuell besonders eklatant in Debatten um Sexarbeit, Identität, Privilegien, Kulturelle Aneignung, Gendern, Transgeschlechtlichkeit uvm.
Der Vortrag soll beleuchten, inwiefern der Gegensatz zwischen Identitätspolitik/Queer/Intersektionalität vs. Universalismus/Feminismus/Materialismus zumindest theoretisch ein falscher ist. Demgegenüber versucht der Vortrag ein Modell eines queeren Materialismus zu entwickeln. Mit diesem Ansatz soll etwas beleuchtet werden, was in beiden Lagern unterbelichtet bleibt, aber eigentlich queere und materialistische Ansätze miteinander verbinden könnte: der historische Materialismus. Oder anders gesagt: die Vermittlung mit den sozial-ökonomischen Verhältnissen. Das Modell eines queeren Materialismus versucht also eine Gesellschaftskritik zu formulieren, die den Kapitalismus als negatives Universelles adressiert, ihn mit einer Kritik der Geschlechterverhältnisse vermittelt und vor diesem Hintergrund eine politische, solidarische Praxis des Universellen zu bestimmen versucht.