Tag der Solidarität
Demonstration in Erinnerung an Mehmet Kubaşık und alle Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt
Wir erinnern an Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil Kılıç, Mehmet Turgut, Ismail Yaşar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaşık, Halit Yozgat, Michèle Kiesewetter
Aufruf:
Mehmet Kubaşık wurde am 4. April 2006 von Mitgliedern des rassistischen und rechtsterroristischen NSU in seinem Kiosk in der Mallinckrodtstraße 190 in der Dortmunder Nordstadt ermordet.
„Es ist ungerecht, dass mein Vater nicht sehen kann, wie seine Enkelkinder aufwachsen. Es ist ungerecht, dass mein Vater nicht sehen kann, wie sein BVB spielt. Es ist ungerecht, dass mein Vater nicht sehen kann, dass es Frühling in seinem Garten wird. Es ist ungerecht, weil er immer noch jeden einzelnen Tag fehlt.“
– Gamze Kubaşık beim Gedenken 2023
Mehmet Kubaşık fehlt in Dortmund, wo er sehr gerne gelebt hat. Nicht nur die Kinder im Viertel kamen immer gerne in seinen Kiosk, den die Familie gemeinsam betrieb. Jedes Jahr Anfang Mai erinnern wir an seinen Geburtstag mit einem Kinderfest auf dem nach ihm benannten Mehmet-Kubaşık-Platz. Wir feiern dort solidarisches Zusammensein und das Leben in der Nordstadt, wo Mehmet Kubaşık eine so große Lücke hinterlassen hat.
Seit dem Tag, an dem Mehmet Kubaşık ermordet wurde, fordert seine Familie Aufklärung. Jahrelang waren sie mit rassistischen Ermittlungen und gesellschaftlicher Empathielosigkeit konfrontiert. Erst nach der sogenannten Selbstenttarnung des NSU entstanden solidarische Netzwerke. Doch die Aufklärung, für die die Betroffenen des NSU-Terrors gemeinsam mit zahlreichen weiteren Angehörigen und Überlebenden von rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt an vielen Orten in Deutschland kämpfen, gibt es bis heute nicht.
Noch immer ist nicht geklärt, welche Nazi-Strukturen den NSU in Dortmund und in anderen Städten unterstützten und so die Morde erst ermöglichten.
Noch immer bleiben zahlreiche Akten verschlossen und zentrale Fragen offen.
Noch immer sind viele rechte Anschläge und Morde, die in Nordrhein-Westfalen und an anderen Orten in Deutschland verübt wurden, trotz vieler Hinweise nicht offiziell als solche anerkannt.
Im September 2024 hat das Landeskriminalamt NRW eine Studie veröffentlicht, in der es insgesamt 30 sogenannte „Verdachtsfälle“ erneut im Hinblick auf rechte Tatmotive untersucht hat. Lediglich vier Taten, so etwa der Mord an Thomas Schulz am 28. März 2005, wurden im Nachgang als rechte Verbrechen anerkannt. Viele Überlebende und Angehörige sind vom Ergebnis und dem Verlauf der Studie enttäuscht. Sie wurden erneut von den Behörden nicht ernst genommen. Ihre Perspektiven und Erfahrungen fanden in der Studie keine Berücksichtigung.
Ebenso enttäuschend ist, wie schleppend die von der bis Februar 2025 amtierenden Bundesregierung versprochene Eröffnung eines NSU-Dokumentationszentrums verläuft, das von den Überlebenden und Angehörigen seit Jahren gefordert wird. Ein entsprechendes Gesetz wurde nach ständigen Verzögerungen vor der Bundestagswahl nicht mehr vom Bundestag beschlossen. Ein von den Betroffenen bestimmtes und ausgestaltetes NSU-Dokumentationszentrum unverzüglich einzurichten, bleibt jedoch eine zentrale Forderung.
So erklärten Gamze Kubaşık und Semiya Şimşek im Januar 2025: „Wir fordern ein Dokumentationszentrum, weil der NSU-Komplex nicht abschließend aufgeklärt wurde. Es braucht Orte, um die Geschehnisse aufzuarbeiten, wissenschaftlich zu erforschen und den Austausch zu fördern. Gerechtigkeit kann nur entstehen, wenn wir Räume zum Erinnern schaffen. Wir müssen hinterfragen und reflektieren, was geschehen ist, an die Taten des NSU und das Versagen des Staates erinnern, um unser Land davor zu bewahren, erneut empfänglich für solche Schreckenstaten zu werden. Ein Dokumentationszentrum würde einen Lernraum bieten, um die Geschichte aufzuarbeiten und Empathie für diejenigen zu entwickeln und aufrechtzuerhalten, die unter Rassismus und rechter Gewalt gelitten haben und immer noch leiden.“
Dies ist umso dringlicher in Zeiten, in denen die Abgrenzung zu extrem rechten Positionen immer deutlicher aufgegeben wird und dabei rassistische sowie antisemitische Politiken Aufwind erfahren. Diesen gesellschaftlichen Entwicklungen setzen wir eine solidarische Perspektive einer Gesellschaft der Vielen entschlossen entgegen.
Wir erinnern und wir kämpfen.