POUR ENSEMBLE: Jakob von Gunten – Eine MusikTanzTheater-Produktion
Das Ensemble aus Künstler:innen mit und ohne Beeinträchtigungen adaptiert den Roman von Robert Walser und bringt ihn in individueller Theaterfassung auf die Bühne. Kombiniert wird dabei Bewegung, Musik, Text und Spiel in individueller Darstellung durch die Künstler:innen aus verschiedenen Sparten der Darstellenden Kunst.
POUR ENSEMBLE im Rahmen des 9. DiS#
»Jakob von Gunten« ist die neueste Produktion des inklusiven POUR ENSEMBLE, in dem professionell arbeitenden Künstler*innenpersönlichkeiten mit und ohne Beeinträchtigungen aus den verschiedenen Sparten der Darstellenden Kunst auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Für dieses NRW-weit einzigartige Projekt erhält das Ensemble derzeit eine dreijährige Konzeptionsförderung des Landes NRW. »Jakob von Gunten« entsteht in Kooperation mit dem zukünftigen Pina Bausch Zentrum, Wuppertal.
Inspirationsquelle und Textgrundlage ist der Tagebuch-Roman »Jakob von Gunten« (1909) von Robert Walser. Er berichtet aus der Sicht des jungen Jakob, Sohn aus gutem Hause, von seiner Ausbildung zum Diener an der ominösen Knabenschule Institut Benjamenta. Ganz oben auf dem Lehrplan stehen Gehorsam und Geduld. Alleiniges Ziel der Einrichtung ist es, die Jungen zu formen und zu unterwerfen, bis sie zu dem geworden sind, wozu sie bestimmt sind: »eine reizende kugelrunde Null«. Jakob sieht für sich hier die Chance, der Leistungsgesellschaft zu entsagen, »klein zu sein und zu bleiben« – hat andererseits aber den Ehrgeiz, der beste Diener zu werden, ist zugleich ein Abenteurer, ein Tänzer und Spieler, der in der Erniedrigung die Freiheit sucht. Was ihn dabei auszeichnet, ist die Leichtigkeit, mit der er diesen Widerspruch lebt. Keine Zweifel, keine Schwere drücken ihn nieder – gut gelaunt und fröhlich geht er durchs Leben. Auch die Aussichtslosigkeit seiner Verliebtheit in die leider unerreichbare Lehrerin ändert daran nichts… Traum und Wirklichkeit gehen in seinen Aufzeichnungen ineinander über, die von Ironie und melancholischer Komik durchzogen sind.
Die Geschichte des Zöglings einer Dienerschule zur Kaiserzeit als Plot für eine ganz und gar heutige Theaterperformance – das mag auf den ersten Blick widersprüchlich anmuten. Doch die gemeinsame Schnittmenge ist groß. Robert Walser verlieh in seinem Roman seinem tiefen Unbehagen an der aufkommenden Leistungsgesellschaft Ausdruck. Die aber erstreckt sich heute längst nicht mehr nur auf das Berufsleben, sondern hat mit dem ständig wachsenden Erwartungsdruck der Selbstoptimierung nahezu alle Bereiche des Lebens durchdrungen. Und vielleicht sehnen wir uns dabei ja insgeheim, wie Jakob denken zu können: »Ach, all diese Gedanken, all dieses sonderbare Sehnen, dieses Suchen, dieses Hände-Ausstrecken nach einer Bedeutung. Mag es träumen, mag es schlafen. Ich lasse es einfach nun kommen. Mag es kommen.«
Das Ensemble unter der Regie von Jakob Fedler greift nicht auf eine bestehende Bühnenfassung zurück, sondern entwickelt assoziativ eine individuelle Theaterfassung, bei der Bewegung, Musik, Text und Spiel ineinanderfließen. Worte werden zu Tönen, Gedanken zu Gesten – und jeder der Spielerinnen und Spieler ist Jakob von Gunten.